Antragsteller*in: | LAG Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, Ingrid Nestle (KV Steinburg), Luca Brunsch (KV Kiel) (dort beschlossen am: 20.08.2020) |
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K 1: Sozial gerechte Klimawende in Schleswig-Holstein: Armut bekämpfen, Klima schützen!
Antragstext
Sozial gerechte Klimawende in Schleswig-Holstein: Armut bekämpfen, Klima
schützen!
Globale Klimakrise, wachsende soziale Ungleichheit und Armut. Die zentrale
Aufgabe unserer Gesellschaft heißt heute mehr denn je: Sozial gerechte
Klimawende! Wir GRÜNE stehen für eine Politik, die Klimaschutz und soziale
Gerechtigkeit konsequent zusammendenkt. Wir setzen uns ein für eine nachhaltige
und gerechte Gesellschaft und nehmen unsere politische Verantwortung ernst,
gemeinsam die Wege für eine sozial-ökologische Gesellschaft zu skizzieren. Für
uns ist klar: Klimapolitik ist Sozialpolitik!
Warum können Konzerne Milliarden am Fiskus vorbeischaffen? Warum werden kleine
Cafés klaglos einem völlig ungerechten Steuervorteil großer Ketten ausgesetzt?
Warum fokussiert sich die Debatte um Gerechtigkeit so oft auf Punkte, bei denen
versteckt wieder die Privilegien der Reichen verteidigt werden? Werden zum
Beispiel Kraftfahrstoffe vergünstigt, profitieren vor allem die Besserverdiener.
Es sind seltener die einkommensschwachen Haushalte, die verbrauchsintensive SUV
fahren. Die reichsten 10% verursachen in Deutschland fast so viel Treibhausgase
wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung - weltweit sogar 5mal so viel.[1] Wer also
CO2-Ausstoß subventioniert, indem die Kosten der Klimakrise auf die
Allgemeinheit verlagert werden, subventioniert vor allem die Reichen. Mit dem
gleichen Argument könnte man auch Champagner auf staatliche Kosten günstiger
machen, damit die Ärmeren sich zu Silvester ein halbes Glas besser leisten
können. Auf diese Idee käme keiner. Und genau so zynisch ist es, mit Verweis auf
die Defizite der Sozialpolitik keinen ehrlichen Preis auf CO2 zu erheben. Die
Einnahmen aus dem CO2-Preis könnten pro Kopf an alle Menschen gehen, dann hätten
die Ärmeren einen finanziellen Vorteil, anstatt geduldig die externen Kosten der
Reichen zu übernehmen. Noch besser funktioniert das, wenn Hilfe zum sparsamen
Umgang mit Energie leicht zugänglich ist und zum Beispiel durch Contracting
nicht an den Kosten für die Investition scheitert. Viel zu oft gelingt es den
politischen Kräften, die sich an den entscheidenden Stellen immer gegen die
Bekämpfung der Armut und für die Freiheiten der Reichen einsetzen, bei Fragen
des Klimaschutzes ihre unsoziale Haltung hinter einem vorgetäuschten sozialen
Gewissen zu verstecken.
Es ist beschämend, dass es in unserem Land so viel Armut gibt, dass die
notwendigsten Maßnahmen zum Klimaschutz nicht anwendbar erscheinen. Wir müssen
Armut endlich auch klimapolitisch bekämpfen, anstatt die
Energieverschwendungsprivilegien der Reichen von der Allgemeinheit finanzieren
zu lassen!
(1) Es ist unsere Aufgabe als GRÜNE, die politischen Voraussetzungen dafür zu
schaffen, allen Menschen die Teilhabe an klimafreundlicher Technologie zu
ermöglichen. Wir stehen für eine ambitionierte Klimapolitik, die die Kosten
gerecht verteilt. Damit niemand benachteiligt oder ausgeschlossen wird, gilt es
soziales und ökologisches Existenzminimum zu verbinden und in klimapolitischen
Maßnahmen von Anfang an mitzudenken. Dafür unterstützen wir Initiativen von
Städten, Gemeinden und Kommunen bei der Einrichtung von Klimabüros und der
Berücksichtigung von Klimaschutzbeauftragten in den öffentlichen Stellenplänen.
Gemeinsam mit den kommunalen Vertretungen wollen wir Ideen diskutieren, wie
Bürgerbeteiligung in Klimafragen noch besser gelingen kann, z.B. durch
Klimaortsbeiräte oder ehrenamtlichen Klima-Scouts.
(2) Schleswig-Holstein, das Land der Energiewende, wird Vorreiter für die
sozial-ökologische Transformation! Die Klimawende gemeinsam schaffen und
energiepolitisch weiter voranzugehen bedeutet, dass wir uns konsequent für eine
sinnvolle soziale Steuerpolitik und effektive Gerechtigkeitslösungen einsetzen.
Daher unterstützen wir die Initiative der GRÜNEN auf Bundesebene zur Einführung
eines Energiegeldes für alle Bürger*innen, das Bestandteil im „Klimaschutz
Sofortprogramm“ aus dem Juni 2019 ist. Wir setzen uns für die Ausweitung von PV-
Anlagen ein, die nicht nur bei den ohnehin schon Besserverdienenden ankommt und
forcieren stattdessen eine soziale, solidarische Reform der Förderung. Hierzu
zählt auch die Vereinfachung der Beteiligung an der Energiewende in kleinem
Rahmen, z.B. über eine unbürokratische Lösung Mieter und Bürger von der PV-
Anlage auf dem Dach profitieren zu lassen. Die Ausweitung genossenschaftlicher
Projekte insbesondere in den Bereichen Ernährung und Energie kann ein wichtiger
Beitrag zur Lösung sein.
(3) Die technischen Lösungen für klimaverantwortliches Leben sind längst da und
bezahlbar. Die Anwendung setzt professionelles Know-How und eine deutlich
veränderte (technische, digitale, bauliche) Infrastruktur voraus. Ob in den
Bereichen klimafreundlicher Mobilität, effizienter Energienutzung, nachhaltigen
Bauens oder ökologischer Lebensmittelversorgung: Wir erkennen die besondere
Bedeutung der hierfür notwendigen Berufe an und wertschätzen die Arbeit der
erforderlichen Fachkräfte als maßgebende Träger*innen und Akteur*innen der
Klimawende. Daher setzen wir uns nicht nur für die Förderung von Umschulungen
und Fortbildungen im Bereich der Erneuerbaren Energien und ihrer Infrastruktur
ein, sondern vehement auch für die Ausweitung sowie Stärkung des Berufs- und
Ausbildungsangebotes.
(4) Damit die sozial gerechte Klimawende kein leeres Versprechen bleibt,
brauchen wir das Engagement von Menschen. Wir setzen uns dafür ein, Ideen für
individuelle Anreize zu klimaverantwortlichem Verhalten zu prüfen und
entsprechend zu fördern. Daher sollen mögliche steuerliche Anreize geprüft
werden, die Arbeitgeber*innen günstige Zusatzleistungen wie z.B. das ÖPNV-
Jobticket oder die Nutzung von Dienstfahrrädern ermöglicht. Betriebe mit einem
hohen berufsbedingten Bedarf an PKW-Nutzung sollen zudem bei der Umstellung auf
Lastenräder, E-Kleinfahrzeuge und E-Autos unterstützt und steuerliche
Förderungsmöglichkeiten hierfür geprüft werden. Wir unterstützen den Umstieg vom
Auto auf das Fahrrad für den täglichen Arbeitsweg und setzen uns für
individuelle Maßnahmen klimafreundlicher Mobilität ein.
Wir wollen:
- Ein Energiegeld pro Kopf finanziert durch einen Preis auf Treibhausgase,
der den tatsächlichen Schadenskosten entspricht - damit Klimaschutz die
Armen reicher macht und nicht umgekehrt!
- Gerechte Besteuerung auch internationaler und digitaler Konzerne, damit
alle ihren Beitrag zum Überleben unserer Gesellschaft leisten. Das
beinhaltet u.a.: Einführung europäischer Mindeststeuern, mit der Utopie
weltweiter Mindeststeuern im Rahmen der WTO; massiver Ausbau der
Steuerfahndung; Ausschluss aller Staatshilfen für Unternehmen, die
„Steueroasen“ nutzen!
- Den Grundbedarf an Strom günstig machen und dafür die Ausnahmen bei der
EEG-Umlage für Großverbraucher einschränken!
- Möglichst vielen Menschen den Anschluss an kostengünstige Wärmenetze
ermöglichen!
- Stromabschaltungen reduzieren oder sogar abschaffen, indem stattdessen
säumigen Zahler*innen eine Energieberatung zur Verfügung gestellt wird.
- Die Nebenkosten und Heizkosten für energetische Sanierungen durch eine
höhere finanzielle Förderung senken!
- PV-Anlagen auch für Mieter unbürokratisch und sicher attraktiv machen,
Kleinstsolaranlagen regulatorisch ermöglichen!
- PV-Strom vom eigenen Dach unbürokratischer attraktiv machen!
- ÖPNV günstiger machen und im ländlichen Raum deutlich mehr Angebote
schaffen und so die Mobilität von Menschen ohne eigenem Auto deutlich
verbessern!
- Mehr Wertschätzung und Unterstützung für Handwerker*innen, die den
Großteil der Energiewende praktisch umsetzen!
- Unterstützung für Betriebe beim Umstieg auf Lastenräder und
Elektrokleinfahrzeuge!
- Förderung des Berufs- und Ausbildungsangebots inkl. Umschulungen und
Fortbildungen in den Bereichen der Erneuerbaren Energien und ihrer
Infrastruktur!
- Unterstützung von Städten, Kommunen und Gemeinden bei Initiativen zur
klimapolitischen Bürgerbeteiligung und Information, z.B. durch Klimabüros,
Klimaschutzbeauftragte, ehrenamtliche Klima-Scouts oder Klimabeiräte!
[1]Oxfam(2015): Extreme Carbon Inequality. Why the Paris climate deal must put
the poorest, lowest emitting and most vulnerable people first, S.4+9. Abgerufen
am 25.5.2020 unter: https://oi-files-d8-prod.s3.eu-west-2.amazonaws.com/s3fs-
public/file_attachments/mb-extreme-carbon-inequality-021215-en.pdf
Begründung
Eine mutige Klimapolitik ist die Voraussetzung für eine offene und gerechte Gesellschaft. Um den anstehenden Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, wollen wir die soziale Lebenswirklichkeit von Menschen in Klimaschutzfragen einbeziehen und die notwendigen Instrumente für eine sozial gerechte Klimapolitik schaffen. Denn mit Blick auf die erforderlichen Veränderungen unserer klimaschädlichen Lebens- und Wirtschaftsweise stellt sich längst nicht mehr nur die Frage nach dem individuellen Wollen und der Bereitschaft des Einzelnen. Niemand darf aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten oder sozialen Hintergrunds benachteiligt oder ausgeschlossen werden.
Mit diesem Antrag möchten wir uns für eine sichtbarere GRÜNE Sozialpolitik einsetzen. Dies ist ein Angebot und ein Appell an die Partei, unsere Vision einer sozial-ökologischen Gesellschaft gemeinsam neu zu definieren. Lasst es uns zukünftig noch wirksamer nach außen tragen. Viele unserer Mitbürger*innen befürchten, dass durch eine an die Pariser Klimaziele orientierte Klimapolitik, insbesondere durch die CO2-Bepreisung ab dem Jahr 2021, die Klimawende für sie fast unbezahlbar, mit enormen Belastungen einhergehen wird. Wir wollen diese Sorgen ernst nehmen und durch sichtbar entlastende Maßnahmen um Vertrauen für unsere GRÜNE Klimapolitik werben.
Unterstützer*innen
Änderungsanträge
- K 1.1 (Pamela Masou, Eingereicht)
Kommentare