Antragsteller*in: | Landesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne (dort beschlossen am: 12.08.2020) |
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D 2: Altrechtliche Staatsleistungen an die Kirchen beenden
Antragstext
Altrechtliche Staatsleistungen an die Kirchen beenden
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzen sich dafür ein, dass die seit
1919 bestehenden historischen Staatsleistungen an die Kirchen, gemäß der
Verfassung nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 Weimarer
Reichsverfassung, beendet werden. Die Zahlungen an die Kirchen sind über einen
Zeitraum von fünf Jahren zu beenden, jährlich reduziert um 20% der derzeitigen
Gesamtsumme. Die ausstehenden Zahlungen erfolgen zweckgebunden z. B. für
präventive Maßnahmen gegen sexuelle Übergriffe und sexualisierte Gewalt im
kirchlichen Umfeld und/oder die Einrichtung eines Fonds zur Entschädigung von
Missbrauchsbetroffenen. Damit erfüllt das Land Schleswig-Holstein endlich einen
seit 1919 bestehenden und 1949 ins Grundgesetz übernommenen Verfassungsauftrag.
Wir fordern darüber hinaus den Bundestag auf, wie von der Verfassung
eingefordert ein Grundsätze-Ablösegesetz zu verabschieden, und dabei den
Bundesländern einen großen Ermessensspielraum bei der Beendigung der Zahlungen
zu lassen. Der im März 2020 in den Bundestag eingebrachte Entwurf erfüllt diese
Kriterien nicht.
Begründung
Die historischen Staatsleistungen werden ohne Bindung an ein öffentliches Interesse und nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gezahlt, sondern dienen allein der institutionellen Förderung der Kirchen und werden ihnen zur freien Verfügung überwiesen.
(Subventionen und Leistungen für die Erfüllung staatlicher Aufgaben wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, aber auch Religionsunterricht, Militärseelsorge oder Denkmalschutz sind also nicht betroffen.)
Letztes Jahr feierten wir den 100. Jahrestag der demokratischen Weimarer Verfassung. Nach dem Ende des Kaiserreichs sollte es keine Staatskirche mehr geben, Staat und Kirchen sollten getrennt werden. Daher ist in der Weimarer Verfassung von 1919 und im Grundgesetz ausdrücklich festgelegt: die historischen Staatsleistungen an die Kirchen sind abzulösen (GG 140 + WRV 138). Das ist jedoch nie geschehen. Im Gegenteil: Diese Zuwendungen haben sich in den Bundesländern (außer Hamburg und Bremen) auf jährlich 538 Millionen Euro (2018) und insgesamt seit Inkrafttreten des Grundgesetzes auf einen Betrag von über 17 Milliarden Euro aufgetürmt. Diese Zahlungen werden aus allgemeinen Steuermitteln von allen Bürger*innen ungeachtet ihrer Kirchenzugehörigkeit aufgebracht. Die beiden Kirchen erhalten diese altrechtlichen Staatsleistungen neben ihren Kirchensteuereinnahmen von derzeit jährlich insgesamt 12,5 Milliarden Euro.
Statt den klaren Verfassungsauftrag von 1919 zu erfüllen, haben die Länder Verträge abgeschlossen, die sie auf unabsehbare Zeit zu Zahlungen an die Kirchen verpflichten – eine grobe Missachtung der Verfassung seit nunmehr über 100 Jahren. Dabei mehren sich auch in den Kirchen Stimmen, die sich für eine Ablösung aussprechen.
Zusätzlich stehen die Staatsleistungen gerade in Schleswig-Holstein auf noch wackeligeren Füßen als anderswo: die vermeintliche historische Legitimation der Zahlungen beruht größtenteils auf Vorgängen vor über 200 Jahren, als Napoleon Kirchengrundstücke verstaatlichte. Hiervon betroffen waren jedoch fast ausschließlich ehemalige katholische Besitztümer, die im Norden deutlich dominantere evangelische Kirche erhält Staatsleistungen lediglich zur Gleichbehandlung der beiden Großkirchen. Es ging auch damals also nicht etwa um faire Entschädigungen, sondern um die Festlegung willkürlicher Summen im Kontext von reiner Kirchen- und Machtpolitik.
Ähnlich wie bei den schwer vermittelbaren Leistungsansprüchen der Hohenzollern sollten wir Grüne auch diese historische Kuriosität besser zu spät als nie beenden.
Hintergrund: parteiübergreifender Gesetzesentwurf im Bundestag zur Ablösung der Staatsleistungen aus dem März 2020
An der Initiative (von Grünen, Linken und FDP) zur Beendigung der Staatsleistungen wird kritisiert, dass die Beratung des Gesetzesentwurfes weitestgehend ohne öffentliche Debatte erfolgte, dass wichtige Stimmen in Gesellschaft und den Parteien nicht berücksichtigt wurden und dass das jetzige Verhandlungsergebnis die kirchliche Seite massiv bevorteilt sowie die Haushalte der Länder über einen Zeitraum von über 10 Jahren massivst belastet.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Ablösegesetze innerhalb von 5 Jahren verabschiedet werden sollen. Die Ablösesumme soll das 18,6 fache der aktuellen jährlichen Staatszahlungen betragen, insgesamt ca. 11 Milliarden Euro. Diese exorbitante Summe ist moralisch nicht zu rechtfertigen. Für weitere 20 Jahre müssten die Landeshaushalte zusätzlich zu den weiterlaufenden Staatsleistungen noch einmal annähernd die gleiche Summe an die Kirchen überweisen.
Artikel 140 Grundgesetz
Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.
Artikel 138 Weimarer Verfassung
(1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.
Unterstützer*innen
- Lennart Stahl (KV Segeberg)
- Barbara Ganter (KV Nordfriesland)
- Kurt Reuter (KV Stormarn)
- Ali Demirhan (KV Herzogtum Lauenburg)
- Torben Miehle (KV Segeberg)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Mathis Reuß-Hennschen (KV Pinneberg)
- Franziska Eggers (KV Herzogtum Lauenburg)
- Thea Kreutzburg (KV Segeberg)
- Klaus-Christian Kalkhoff (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Bianka Ewald (KV Pinneberg)
- Achim Jansen (KV Segeberg) (KV Segeberg)
- Marvin Wölk (KV Steinburg)
- Peter Schüler
- Katja Kuncke (KV Lübeck)
- Arne Langniß (KV Kiel)
- Björn Hennig (KV Ostholstein)
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